Ich erhalte viele Nachrichten, sei es via E-Mail und auch via Social Media. Dabei berichten mir andere Betroffenen von ihren Erfahrungen mit einem anderen, oder sogar dem gleichen Hirntumor, den ich hatte. Wenn das der Fall ist, berichten sie meist auch, dass sie ebenfalls einseitig gehörlos geworden sind, oder dies nach der Operation werden.
Und einige berichten mir auch von ihrer Angst wie es ist, letztlich hörgeschädigt zu sein.
Dieses ungewisse Gefühl kenne ich. Dieses erst einmal Innehalten und nicht wissen, in welche Richtung man laufen oder wie es weitergehen soll. Ebenso die Gedanken, wie es wird und ob es jemals gut wird. Doch um es erst einmal vorneweg zu nehmen und kurz zu machen: Es wird gut, glaube mir.
Von meinen eigenen Erfahrungen sprechend kann ich sagen, dass sich mein Gehirn schnell an die neue Situation gewöhnt hat. Wobei ich natürlich sagen muss, dass ich vor der Operation auf meinem rechten Ohr ertaubt bin und nicht erst danach. Anfänglich war es aber in der Tat ein ungewohntes Gefühl und natürlich weiss ich heute noch wie es ist, in Stereo zu hören. Aber wenn ich eines nicht gemacht habe, dann mich zu sorgen – schon gar nicht, wie ich mit der Gehörlosigkeit oder den Hörgeräten in der Gesellschaft wahrgenommen werden könnte. Denn das Leben mit einer Hörminderung und so auch Hörgeräten hat durchaus auch viele positive Seiten.
Nachfolgend habe ich deshalb einmal ein paar Gedanken zusammengefasst, wie man seine Gehörlosigkeit akzeptieren und die Angst vor Hörgeräten überwinden kann.
1. Viele Menschen hören schlecht
Viele Menschen – sowohl junge als auch ältere – tragen mittlerweile Hörgeräte. Die Gründe sind hierfür sehr verschieden. Sei es, dass man bereits mit einer Gehörlosigkeit oder Schwerhörigkeit auf die Welt gekommen ist, durch eine Erkrankung oder einen Unfall diese erhalten hat, oder im Alter anfängt schlechter zu hören. Gemäss einer Studie sollen auch weltweit schätzungsweise 1,6 Milliarden Menschen mit einem Hörverlust leben. Alleine in Deutschland leben 10 Millionen Schwerhörige und in der Schweiz sind es bis zu 450'000 Menschen.
Hörgeräte sind jedoch mit der Zeit gegangen. So sind sie mittlerweile sehr modern, oft klein und unauffällig. Für jede Hörschwäche gibt es auch die passenden Geräte und Möglichkeiten wie Innenohrgeräte, CROS-Versorgungen wie ich sie trage, oder Cochlea-Implantate.
2. Hörgeräte sind Hilfsmittel
Hörgeräte sind wie eine Brille für die Ohren – sie korrigieren und unterstützen uns in unserem Alltag. Sie sind ein Werkzeug, das uns ermöglicht, besser zu hören, und sie helfen uns, die Welt wieder klarer wahrzunehmen. Sie sind kein Zeichen von Schwäche, sondern zeigen, dass wir aktiv etwas für unsere Lebensqualität tun.
3. Eine fortgeschrittene Technik
Doch moderne Hörgeräte sind viel mehr als reine Verstärker: Sie sind hochentwickelte technische Geräte, die Störgeräusche unterdrücken, sich an unterschiedliche Umgebungen anpassen und sogar mit Bluetooth (Handy, TV, etc.) verbunden werden können. Es gibt sogar Hörgeräte, mit denen man tauchen gehen kann.
Das bedeutet, dass es für jeden Träger das optimale Gerät gibt mit letztlich mehr Komfort und einem besseren Hörerlebnis.
4. Mehr Sicherheit
Hörgeräte tragen nicht nur dazu bei, Gespräche und soziale Situationen besser wahrzunehmen und zu meistern, sie erhöhen auch die Sicherheit im Strassenverkehr. Zum Beispiel beim Überqueren einer Strasse oder bei anderen Aktivitäten im Alltag. Man hört wieder Geräusche wie das Autohupen, Fahrradfahrer oder Warnsignale.
5. Mehr Lebensfreude und Selbstbewusstsein
Ein Hörverlust kann das Leben stark einschränken wie beispielsweise in sozialen Situationen. Viele Menschen berichten, dass sie mit Hörgeräten wieder selbstbewusster geworden sind, aktiver am Leben teilnehmen und eine höhere Lebensqualität geniessen können. Sie spüren, dass sie keine wichtigen Momente oder Gespräche mehr verpassen.
6. Eine neue Sichtweise
Eine Gehörlosigkeit bringt oft eine stärkere Wahrnehmung anderer Sinne wie des Sehens oder des Fühlens mit sich. Menschen, die gehörlos sind oder Hörgeräte tragen, entwickeln oft eine grössere Sensibilität und ein tieferes Verständnis für nonverbale Kommunikation, Körpersprache und Emotionen.
7. Noch mehr Stärken
Noch bevor ich einseitig gehörlos geworden bin, habe ich übrigens die deutsche Gebärdensprache (DGS) gelernt. Ich fand diese schon immer faszinierend und sie ist in der Tat einzigartig und vielseitig einsetzbar. So kann man sich auch Menschen unterhalten, wenn es zu laut für die Hörgeräte ist, oder das Gegenüber zu 100% gehörlos ist. Und das Coole dabei ist, dass es auch eine Art Geheimsprache ist, weil nicht jeder diese versteht.
8. Gemeinsam nicht einsam
Es gibt eine grosse, unterstützende Community von Menschen, welche Hörgeräte tragen, schwerhörig oder gehörlos sind. In Foren, Selbsthilfegruppen und via Social Media finden sich viele Menschen, die ähnliche Erfahrungen teilen und wertvolle Tipps und Ermutigungen geben können. Das sind zumindest meine Erfahrungen, als ich meine Gehörlosigkeit öffentlich gemacht habe und seither stolz meine Hörgeräte zeige. Ich zeige aber mit diesen noch mehr:
9. Lass die Ohren glitzern [AD]
Es gibt einen ganz tollen Hörgeräteschmuck namens DEAFMETAL, der von Hand in Finnland hergestellt und weltweit verschickt wird sowie ebenfalls eine ganz tolle Community hervorgebracht hat, welcher ich auch angehören darf: Die Deafmetalcommunity. Wir zeigen stolz unsere Hörgeräte, welche wir mit dem Schmuck noch mehr aufwerten. Damit zeigen wir, dass Hörgeräte nicht altbacken sind, sondern sehr modern und herzeigbar. Und das mit sehr viel Style!
10. Nahe Inklusion
Obwohl ich natürlich weiss, dass in unserer Gesellschaft andere Hilfsmittel wie Brillen mehr akzeptiert sind als Hörgeräte, gibt es doch viele Menschen, die offen Menschen mit Hörminderung gegenüberstehen. Es sind nicht nur, aber doch vor allem Menschen im nahen Umfeld, die einen so akzeptieren wie man ist und verstehen, welche Hilfsmittel man braucht und wie unterstützend diese sind.
11. Gegen Vorurteile
Wenn man offen mit seiner Gehörlosigkeit und auch den Hörgeräten umgeht, wird das Umfeld verständnisvoller und unterstützender. Zumindest habe ich das so erfahren. Denn es hilft, Vorurteile und Missverständnisse zu reduzieren, wenn wir klar kommunizieren, was wir brauchen und wie wir uns wohlfühlen. Stehen wir zu unseren Hilfsmitteln, gehen auch andere Menschen offener damit um.
12. Eigene Akzeptanz
Akzeptanz brauchen wir aber nicht nur von anderen. Letztlich fängt es immer bei uns selber an. Und es stimmt, dass jede Veränderung erst einmal Angst machen kann. Aber man darf sich nicht mitreissen, oder runterziehen lassen.
13. Vorbildfunktion vice versa
Viele ältere Menschen scheinen ein Problem damit zu haben, schlechter hören zu können, aber weigern sich, Hörgeräte zu tragen. Sie assoziieren diese noch mit der alten Technik und den grossen, groben und auffälligen Hörhilfen, die es noch vor 20 Jahren gab. Auch scheinen sie zu verdrängen, dass ihr Gehör im Laufe der Zeit immer schlechter wird und das dies altersbedingt normal ist. Dabei ist es wichtig, genau solche Menschen zu motivieren, Hörhilfen zu tragen. Es kommt nicht nur den sozialen Interaktionen zugute und wie schon jetzt oft erwähnt auch der eigenen Lebensqualität und Sicherheit.
Demnach sollten wir jüngere Menschen vermehrt und offen Hörhilfen tragen, um so ein Vorbild für die ältere Generation zu sein. In diesem Zusammenhang ist es ist quasi eine umgekehrte Vorbildfunktion.
Letztlich geht es aber darum, sich nicht zu schämen, schlechter hören zu können und Hörgeräte zu tragen, denn dafür gibt es keinen Grund. Wir können stolz darauf sein, dass wir uns für die eigene Lebensqualität einsetzen, letztlich haben wir nur dieses eine Leben. Und die Akzeptanz der eigenen Hörminderung und das Tragen von Hörgeräten kann zu einem erfüllteren, selbstbewussteren Leben führen. Denn es ist die Mut zur Akzeptanz, welche mit einer neu gewonnenen Freiheit einhergeht: Mit dem was war abgeschlossen zu haben und sich auf die Gegenwart zu konzentrieren und diese zu geniessen.
Ich mag es auch DIR von Herzen wünschen. ❤️